Mit etwas Erstaunen habe ich vor kurzem einen Artikel in der Zeitschrift kfz-betrieb unter den Titel E-Auto-Service: Ganz sicher unter Spannung (siehe Link unten) gelesen. Grundsätzlich finde ich es immer sehr gut, wenn Redaktionen sich solchen wichtigen Themen aus dem Werkstattalltag annehmen. Da in der Branche viel Unsicherheit mit dem Umgang an HV- Fahrzeugen vorherrscht. Durch die besonderen Auslegung der einschlägigen Vorschriften von den Überwachungsorganisationen kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Mitteilungen. Nicht selten werden solche Aussagen getroffen, obwohl vielen die entsprechenden Herstelleranleitung gar nicht kennen. Leider wird diese Meinung häufig in den Berufsschulen mit übernommen und die Auszubildenden sind dann schon mal überrascht, welcher Unterschied zwischen dem Gelernten und dem Arbeiten mit der Reparaturanleitung entsteht.
Dabei geben die Vorschriften eine klare Handlungsweise vor, beim Umgang mit den HV- Fahrzeugen. Kommen wir zurück zum oben genannten Fachartikel. Dort heißt es, die GTÜ teilt mit, dass eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) beim Arbeiten an HV- Fahrzeugen nötig sei. Diese beinhaltet entsprechende HV- Handschuhe, Elektrikerhelm mit Gesichtsschutzschild, Schutzschuhe und empfohlener Schutzkleidung. Grundsätzlich ist die Aussage erstmal nicht falsch, aber...
Bevor ich die Aussagen der GTÜ relativiere, sollte man sich anschauen woher kommen die Aussagen überhaupt. Als erstes gilt Grundsätzlich die Vorschrift DGUV 200-005 als Leitlinie für das Arbeiten an HV- Fahrzeugen. Hier werden die entsprechenden Vorschriften genannt die zu beachten sind und eine grobe Beschreibung der Themenfelder. Auf Seite 22 im Kapitel 3 Gefährdungsbeurteilung findet man die Aussage der GTÜ zum größten Teil wieder, aber nicht als Vorschrift, sondern als ein Beispiel für eine mögliche Schutzausrüstung. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wo wird die PSA den konkret vorgeschrieben. Dazu findet man in der oben genannten DGUV mehrere Verweise auf andere Vorschriften und Normen. Zuvor sollte man im Hinterkopf behalten das schon in der genannten Vorschrift auf Seite 13 steht "Zum Feststellen der Spannungsfreiheit sind die Vorgaben des Fahrzeugherstellers zu beachten", damit wird die Interpretation der Vorgaben deutlich eingeschränkt.
Jetzt will ich es aber genau wissen und nehme mir die dort genannte Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ (BGV/GUV-V A3) vor. Schon in §2 werden die anerkannten Regeln der Elektrotechnik, welche in den VDE-Bestimmungen enthalten sind, relativiert. Nämlich mit dem Satz: "Eine elektrotechnische Regel gilt als eingehalten, wenn eine ebenso wirksame andere Maßnahme getroffen wird". Damit ist klar, wenn die Reparturanleitung eine definierte Vorgehensweise vorschreibt, mit entsprechenden Hinweisen zur PSA, dann ist diese Maßgeblich. Im Umkehrschluss, fehlt für eine durchzuführende Arbeit die entsprechende Anleitung des Herstellers, gelten die elektrotechnischen Regeln uneingeschränkt. Das gilt besonders bei Arbeiten unter Spannung, wo es vom Hersteller meistens keinen definierten Reparaturprozess gibt.
Im Regelfall kommt das Arbeiten unter Spannung im Werkstattalltag nicht vor, sondern das sich die Anlage entsprechen der Herstellervorgabe spannungs frei schalten lässt. Damit deckt die Qualifikation des Fachkundigen für Hochvoltfahrzeuge (Stufe 2), den überwiegenden Teil der Arbeiten in der Werkstatt ab. Natürlich unter der Voraussetzung das es sich dabei immer um eigensichere Fahrzeuge handelt. Das sind aber alle Serienfahrzeuge die üblicherweise in einer Service- Werkstatt zu finden sind. Das Arbeiten unter Spannung ist in der Regel nur beim öffnen des HV- Speichers (Batterie) der Fall. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, wenn z.B. nach einem Unfall der HV- Speicher beschädigt ist, oder sich die Anlage nicht spannungs frei schalten lässt. Hier muss dann eine Gefährdungsbeurteilung vor Ort erfolgen, dazu reicht in den meisten Fällen die Qualifikation der Stufe 2 nicht mehr aus. Auch hier gibt es Hersteller die entsprechende Prüflisten vorschreiben, um Schäden nach einem Unfall an der HV- Anlage zu beurteilen. Diese dürfen meistens von Fachkundigen abgearbeitet werden, um eine schnelle Beurteilung der Situation zu ermöglichen. Aber die eigentlich Gefährdungsbeurteilung in den Beispielen darf nur eine Elektrofachkraft durchführen, welche die Qualifikation "Arbeiten unter Spannung" durchlaufen hat. Trotzdem sollte kein verunfalltes HV- Fahrzeug in der Halle gelagert werden, sondern auf einem Platz wo auch im Brandfall möglichst wenig Schaden verursacht werden kann. Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Spannungsfreiheit nach einem Unfall am Fahrzeug sicher zu stellen.
Als Fazit kann man sagen, es ist zwingend erforderlich bei HV- Fahrzeugen nach Herstellervorschriften zu arbeiten. Aus meiner Erfahrung kann ich nur dazu raten die original Anleitung zu verwenden, da in den Unterlagen von unabhängigen Anbietern mir öfters Abweichungen aufgefallen sind.