E- Auto- Service: Was braucht man dazu in der Werkstatt wirklich?

Leider stelle ich beim lesen diverser Artikel oder Webseite zum Thema Elektromobilität und Werkstätten immer wieder fest, dass man zwar Informieren will, aber häufig das Gegenteil erreicht. Der Leitgedanke dahinter ist sicher häufig gut gemeint. Nur wird mir zu oft den Werkstätten mit Investitionen, Aufwand oder grundlegenden Veränderungen gedroht. Statt die Möglichkeiten und Vorteile der Elektromobilität für die Werkstätten heraus zu arbeiten. 

Im Grunde ist E- Auto immer noch ein Fahrzeug auf vier Rädern. Der Verbrennungsmotor fehlt, dafür steckt was anderes drin, aber das Prinzip bleibt gleich. Man benötigt für den Antrieb einen Energieträger, der erstmal Zwischengespeichert werden muss. Ob es jetzt der Tank befüllt mit Kraftstoff, oder Batterie mit elektrischer Energie ist, macht kaum einen Unterschied. In der Werkstatt gibt es dazu immer entsprechende Sicherheitsregeln die man einhalten muss. Auch sind die Komponenten der HV- Anlage nichts neues, alle Bauteile kommen schon seit Jahren in ähnlicher Form in der Automobiltechnik vor. Das ist jetzt halt alles nur etwas größer. Auch die Hochspannung ist nichts neues, die Zündanlage bei Otto- Motoren kommt z.B. auf eine Leistung von bis zu 45.000 Volt (Sekundärseitig) und bis zu 20 Ampere Primärstrom. Oder die Generatoren mit Leistungen von über 3kW bzw. 250 Ampere.  Damit will ich deutlich machen, die HV- Thematik ist nicht wirklich so wahnsinnig neu im Kfz- Bereich.

Trotzdem sollte man nie den Fehler machen, dass Gefahrenpotential einer Anlage zu unterschätzen. Gerade wenn man mit den technischen Hintergründen nicht so vertraut ist. Aus diesem Grund ist es natürlich extrem Fahrlässig, wenn man an HV- Fahrzeugen ohne entsprechende Qualifikation arbeitet. Dazu hält sich der zeitliche Aufwand dafür sehr in Grenzen. Die Inhalte bewegen sich auf dem fachlichen Niveau einer AU- Schulung, alle Begriffe und Erklärungen hat man irgendwann mal im Rahmen der Ausbildung zum Gesellen gehört.

Wer z.B. an Hybrid- Fahrzeugen nur einen Räderwechsel oder die Wartung machen will, für den ist in der Regel die Stufe 1 der Qualifizierung ausreichend. Darunter versteht man eine entsprechende Unterweisung nach der DGUV 200- 005. Diese Unterweisung darf entweder ein Mitarbeiter durchführen, der zuvor die Stufe 2 nach der genannten Vorgabe absolviert hat, oder man nutzt externe Angebote. So bietet z.B. der TÜV- SÜD eine web basierte Unterweisung mit den notwendigen Nachweis für ca. 50 Euro an. Der Zeitbedarf für interne oder externe Unterweisung orientiert sich in der Regel an zwei Schulstunden (2x 45 Min.).

Möchte man aber in der Werkstatt auch HV- Komponenten tauschen dürfen oder auch nur die Spannungsfreiheit herstellen wollen, erfordert das die Qualifizierung nach Stufe 2. Die zuvor genannte Unterweisung reicht vom Inhalt dafür nicht mehr aus. Diese Stufe beinhaltet kurz zusammengefasst, alle Arbeiten nach Reparaturanleitung im spannungsfreien Zustand. Damit werden in einer Kfz- Werkstatt für Serienfahrzeuge (eigensicher) der überwiegende Teil aller Reparaturen mit dieser Qualifizierung abgedeckt. Für die Stufe 2, nach der oben genannten DGUV, wird der Inhalt meisten ins zwei Tagen bei einem entsprechenden Weiterbildungsanbieter vermittelt.

Nach der notwendigen Qualifizierung wird häufig viel über die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) geschrieben. Bei diesen Thema gehen die Meinung durchaus auseinander. Dazu habe ich schon einen Blog- Artikel geschrieben und wiederhole es an dieser Steller nicht.

Viel wichtiger ist es sich mit dem spannungsfrei schalten der  HV- Anlage zu beschäftigen. Da es in diesem Bereich den größten Unterschied in den Generationen von elektrifizierten Fahrzeugen gibt. Bei älteren Fahrzeugen befindet sich meistens im Bereich des Kofferraums der Sicherheitsstecker, dort wird ein Bügel hochgeklappt und kann dann abgezogen werden. Der Bügel am Sicherheitsstecker ist in der Regel mit zwei Sperrrasten gesichert. Danach wird die Spannungsfreiheit am Inverter bzw. Leistungselektronik unter der Fronthaube mit einem vorgegebenen Messgerät festgestellt. Bei vielen Hersteller wird ein Duspol Prüfer CAT III/ CAT IV und Schutzhandschuhe bis 1000 Volt vorgeschrieben. Auch werden die Messpunkte in der Reparaturanleitung vorgeben und sind zwingend einzuhalten.

Bei aktuellen Fahrzeugen gibt es diesen Bügelstecker meistens nicht mehr. Die neue Variante ist deutlich kleiner und nicht mehr orange, da dieser kein Bauteil des HV- Stromkreises ist. Der Stecker hat in der Regel ein grünes Gehäuse und ist vier polig. Man bezeichnet diese Art als Servicestecker oder Service- Disconnect. Der Einbauort ist auch nicht mehr am HV- Speicher (Batterie) gebunden, sondern kann sich an einem beliebigen Ort im Fahrzeug befinden. Aber am häufigsten findet man diesen unter der Frontklappe oder in der Seitenverkleidung vom Kofferraum. 

Eine Prüfung der Freischaltung mit einem Messgerät wird meistens nicht mehr gefordert. Über eine Meldung im Kombiinstrument bei eingeschalteter Zündung, erfolgt die Anzeige zur Spannungsfreiheit der HV- Anlage, wenn der Servicestecker gezogen wurde.

Allerdings sehen Hersteller wie z.B.  der VAG- Konzern oder Mercedes- Benz vor, dass die Spannungsfreiheit mit einem geführten Servicevorgang via Diagnosetester durchgeführt wird. So kann sichergestellt werden, dass alle HV- Komponenten heruntergefahren sind und keine gefährliche Spannung mehr vorhanden ist. Die Sicherheit ist ein Argument. Mit diesen Verfahren werden aber auch alle HV- Komponenten deutlich schonender behandelt. Was wiederum der Standfestigkeit aller Bauteile, besonders den Schaltschützen, zu gute kommt. In der Regel kann man den Servicevorgang auch über das Pass- Thru Verfahren durchführen.

Fazit, die Werkstatt benötigt zwingend einen Zugang für die Reparaturanleitungen der Hersteller, einen geeigneten Mehrmarkentester oder das Pass- Thru Verfahren und je nach Fahrzeugmarke die vorgegebene persönlich Schutzausrüstung (PSA). Damit hat die Werkstatt alle Voraussetzungen erfüllt und kann los legen. Natürlich gehört die entsprechende Qualifizierungsstufe für die jeweiligen Arbeiten mit dazu. Das alles ist kein Hexenwerk  und die Werkstatt erweitert frühzeitig das Dienstleistungsangebot.

 

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